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Wäre Deutschland in der Lage, Kernwaffen in ausreichender Zahl zu entwickeln, um einen potentiellen Angreifer abzuschrecken? Was lange ein Tabu war, wird seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine und der wiederholten nuklearen Drohung Moskaus an die NATO hierzulande offen diskutiert. Auch eine EU-Atombombe wird gefordert. Politisch gäbe es da viele hohe Hürden, nicht zuletzt die völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands. Aber wie sieht es rein technisch betrachtet aus?

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Derzeit sind Frankreich und Großbritannien die einzigen Länder in Europa, die über eigene Atomwaffen verfügen und damit auch über das entsprechende Know-how. Wie man theoretisch eine Atombombe baut, ist schon lange kein Geheimnis mehr, wohl aber die Details der technischen Umsetzung. In jüngster Vergangenheit haben selbst Länder wie Pakistan und Nordkorea bewiesen, dass es möglich ist, Nuklearwaffen zu entwickeln. Doch ein Land wie Deutschland, das seit einem Jahr kein Kernkraftwerk mehr am Netz hat, würde der Bau einer Atombombe vor besondere Herausforderungen stellen.

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Brennstäbe aus alten Kraftwerken?

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Zunächst bräuchte man für den Bau einer Kernwaffe ausreichende Mengen an spaltbarem Material: Infrage kommen vor allem die beiden Isotope Uran-235 und Plutonium-239. Für Uran-235 liegt die kritische Masse, ab der die Kettenreaktion nicht mehr abreißt, zwischen 30 und 50 Kilogramm, für Plutonium-239 bei etwa zehn Kilogramm. Das scheint nicht viel zu sein. Doch Uran-235 kommt in natürlichem Uranerz nur in kleinen Mengen (0,7 Prozent) vor, der Rest ist vor allem Uran-238. Plutonium-239 trifft man in der Natur dagegen überhaupt nicht an, sodass es künstlich erzeugt werden muss, etwa in einem Kernreaktor.

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Während für die Brennstäbe in einem Kernkraftwerk der Anteil von spaltbarem Uran wenige Prozent beträgt, sind für eine Uranbombe Anreicherungsgrade von 90 und mehr Prozent erforderlich. Die Abtrennung von Uran-235 aus Natururan erfolgt üblicherweise in Gaszentrifugen. Zunächst wird Uran in ein Gas verwandelt und dann in schnelle Rotation versetzt. Wie in einer Salatschleuder drückt die Fliehkraft das schwerere Uran-238 an die Wand, Uran-235 bleibt in der Mitte der Zentrifuge zurück, wo es abgetrennt werden kann. Soll die Entmischung möglichst hoch sein, muss der Prozess oft wiederholt werden, was viel Zeit in Anspruch nimmt.

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„In Deutschland betreibt das Unternehmen Urenco eine Anlage in Gronau, allerdings ausschließlich für Kernkraftwerke und andere zivile Zwecke“, sagt Clemens Walther, Radioökologe an der Leibniz Universität Hannover. Zur Gewinnung größerer Mengen an waffenfähigem Uran sind die Anlagen bei Urenco, die noch Standorte in den Niederlanden und England hat, nicht ausgelegt. Für den Bau einer Uranbombe bräuchte man möglichst viele Zentrifugen, die man hintereinanderschaltet. „Zwar konnte in der Vergangenheit für Forschungsreaktoren hoch angereichertes Uran-235 aus den Vereinigten Staaten bezogen werden, in größeren Mengen für eine Bombe ist das aber nicht zu erwarten“, so Walther.

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Waffenfähiges Plutonium ließe sich rasch herstellen

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Waffenfähiges Plutonium-239 wird üblicherweise in Kernreaktoren erzeugt. Es entsteht nach dem Einfang eines Neu­trons aus einem Uran-238-Kern. Allerdings wird mit der Zeit auch nicht spaltbares Plutonium-240 gebildet, das für Plutoniumbomben nicht geeignet ist. „Alle Staaten, die waffenfähiges Plutonium erbrüten, nutzen spezielle Reaktoren, aus deren Brennelementen man reines Plutonium-239 rasch extrahieren kann, bevor weitere schwere Isotope entstehen“, sagt Walther. Es lassen sich relativ schnell Kilogrammmengen waffenfähigen Plutoniums herstellen, weshalb es die großen Atommächte als Material für ihre Kernwaffen bevorzugen.

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Für Deutschland bliebe als Quelle für Plutonium-239 nur der Weg über die abgebrannten Brennelemente in den Zwischenlagern. „Das darin enthaltene Plutonium müsste aus den Brennelementen in Wiederaufarbeitungsanlagen im Ausland extrahiert werden.“ In Europa gibt es derzeit nur in La Hague in Frankreich eine solche Einrichtung. Nach der Wiederaufarbeitung müsste man aus der nicht waffenfähigen Mischung verschiedener Plutonium-Isotope das spaltbare Pu-239 analog zu der Urananreicherung abtrennen. „Das ist allerdings viel aufwendiger als das direkte Erbrüten“, sagt Walther.

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Für Uranbomben bietet sich die sogenannte Kanonenanordnung an: Zum Zünden benötigt man zwei getrennte unterkritische Massen an Uran-235, die, wenn man sie mit herkömmlichem Sprengstoff aufeinanderschießt, eine kritische Masse bilden. Wegen des einfachen Designs dürften junge Atommächte wie Pakistan und Nordkorea vor allem Uranbomben in ihrem Waffenarsenal haben. Auch Iran steht in dringendem Verdacht, eine Uranbombe zu bauen.

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Für die Plutoniumbombe ist die Kanonenanordnung ungeeignet. Hier greift man auf die Implosionsanordnung zurück. Eine unterkritische Masse wird mit einem Mantel aus hochexplosivem Zündstoff umgeben. Bei dessen Explosion entsteht eine Schockwelle, die die Dichte des Spaltmaterials so weit erhöht, dass die Masse des Plutoniums kritisch wird.

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Gleich für welchen Bombentyp man sich auch entschiede, man bräuchte ein geeignetes Testgelände für die ersten Prototypen. Das wird in Deutschland kaum zu finden sein. Israel hat seine Bombe allerdings ohne bestätigte Tests gebaut. Und will man nukleare Sprengköpfe im Ernstfall an ihren Bestimmungsort transportieren, benötigt man geeignete Trägersysteme. Zwar verfügt die Bundeswehr über ausreichend Kampflugzeuge, die aufgrund der nuklearen Teilhabe mit nuklearen Waffensystemen der USA ausgerüstet werden können, aber sie hat derzeit weder Langstreckenbomber noch Raketen für mittlere und längere Reichweiten.

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