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Washington ist auch unter Präsident Joe Biden so polarisiert wie in der Ära Donald Trumps. Im Repräsentantenhaus ist gleichwohl etwas Erstaunliches passiert. Die erste Kongresskammer wird faktisch von einer Koalition geführt. Das ist ein Novum – und im präsidentiellen System der Vereinigten Staaten eigentlich nicht vorgesehen. Der in Teilen der eigenen Fraktion in Ungnade gefallene republikanische Sprecher Mike Johnson kann sich im Fall des Falles darauf verlassen, dass die Demokraten ihn stützen.

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Ende April ermöglichte Johnson nach Monaten der Blockade im Repräsentantenhaus ein Votum über die Militärhilfe für die Ukraine. Der Präsident und die Demokraten im Kongress hatten den Sprecher bekniet, angesichts der Lage auf dem Schlachtfeld seiner Verantwortung gerecht zu werden. Johnson, der nach dem Sturz Kevin McCarthys im vergangenen Herbst eher zufällig ins Sprecheramt kam, ist zwar durch und durch konservativ und hatte bislang stets gegen die Ukraine-Hilfe gestimmt. Er gab aber zu erkennen, trotz des Widerstandes seines rechten Fraktionsflügels eine Abstimmung ermöglichen zu wollen. Er musste nur einen Weg finden, trotz knapper Mehrheitsverhältnisse dem Schicksal seines Vorgängers zu entgehen.

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Schon vor Wochen signalisierten zahlreiche Demokraten, ihn zu stützen, sollte Marjorie Taylor Greene, Frontfrau der Isolationisten, ihre Drohung wahrmachen und einen Antrag zur Abwahl stellen. Die Fraktionsführung hielt sich hingegen bedeckt. Am Dienstag folgte nun Hakeem Jeffries, der demokratische Minderheitsführer in der ersten Kammer: Nach einer Fraktionssitzung teilte er mit, die Demokraten hätten in der Frage der Militärhilfe die fraktionsübergreifende Verständigung gesucht und sich dem „MAGA“-Extremismus entgegengestellt. Sodann: „Wir werden es ablehnen, einen Antrag Tayler Greenes auf Absetzung des Sprechers im Plenum zu behandeln“. Sollte sie ihn einbringen, werde er scheitern. In der Fraktionssitzung sagte er noch, die Abgeordneten sollten im Fall der Fälle ihrem Gewissen folgen. Er verordnete also keine Fraktionsdisziplin.

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Das Vorgehen ist ungewöhnlich. Auch wenn in früheren Zeiten fraktionsübergreifende Kooperation der Normalzustand im Kongress gewesen ist, in der Sprecherwahl musste die Mehrheit stets zeigen, dass ihr Kandidat das Vertrauen des eigenen Lagers genießt.

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Johnson als „Sprecher der Demokraten“ beschimpft

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Mit der Ankündigung Jeffries ist nun in gewisser Weise wahr geworden, was Taylor Greene seit Wochen beklagt: Für die Abgeordnete aus Georgia ist Johnson längst der Sprecher der Demokraten. Am Dienstag nannte sie die Erklärung der demokratischen Fraktionsführung eine „offizielle Unterstützungserklärung“ und fragte, welchen „schmierigen Hinterzimmer-Deal“ Johnson mit den Demokraten gemacht habe. Er sollte zurücktreten und den Demokraten beitreten, forderte sie. Johnson sagte am Dienstag lediglich, er sei sein ganzes Leben lang ein konservativer Republikaner gewesen. Als Sprecher komme er allerdings der Aufgabe nach, welche die Gründerväter vorgesehen hätten: Der Sprecher diene der ganzen Kammer. Er werde das Räderwerk des Staates am Laufen halten.

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Offen ist, was Taylor Greene nun tun wird. Ihre Drohung, den Absetzungsantrag einzubringen, fand vor der Abstimmung über die Ukraine-Hilfe offiziell zwei Unterstützer, was bei den Mehrheitsverhältnissen schon ausreicht, um Johnson das Vertrauen zu entziehen. Intern soll sie viel mehr Unterstützer haben. Die Ukraine-Hilfe wurde schließlich von der republikanischen Fraktion mehrheitlich abgelehnte und nur wegen der Stimmen der Demokraten gebilligt.

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Donald Trump, der zwischenzeitlich die Ukraine-Hilfe selbst abgelehnt hatte, stützte vor dem Votum aber nicht nur Johnson und sagte, dieser leiste in schwierigen Zeiten gute Arbeit. Er sagte auch, er hoffe, dass seine „Freundin“ Taylor Greene das verstehe. Das war eine klare Ansage, sie möge wenige Monate vor der Präsidentenwahl die Finger von einem neuerlichen Sprechersturz lassen, der mutmaßlich ein abermaliges Führungschaos zur Folge hätte.

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Taylor Greene äußerte später am Dienstag auf der Plattform X, wenn die Demokraten und einige Republikaner Johnson stützen wollten, dann werde sie ihnen eine Gelegenheit geben, dies zu tun. Sie glaube daran, dass das Abstimmungsverhalten dokumentiert werden müsse, damit die Amerikaner die Wahrheit sehen könnten. Das klang wie eine Kampfansage. Im Plenum konnte man sehen, wie Steve Scalise, Mitglied der republikanischen Fraktionsführung, mit Taylor Greene sprach. Später verließ sie das Kapitol, ohne Fragen zu beantworten. Für Mittwoch haben sie und ihr Verbündeter Thomas Massie eine Pressekonferenz im Kapitol angekündigt.

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