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Die konservativ-nationalistische Oppositionspartei VMRO-DPMNE hat die Parlaments- und Präsidentenwahlen in Nordmazedonien am Mittwoch haushoch gewonnen. Damit dürfte der Kurs der Annäherung des Balkanstaates an die Europäische Union, der schon vor Jahren ins Stocken geraten war und seit 2019 nur noch auf dem Papier existierte, auf absehbare Zeit beendet sein. Der VMRO-Vorsitzende und potentielle künftige Ministerpräsident Hristijan Mickoski lehnt die seinem Land von der EU auf Betreiben Bulgariens auferlegte Vorbedingung zur Aufnahme von Beitrittsgesprächen ab.

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Demnach müsste Nordmazedonien zunächst die bulgarische Minderheit des eigenen Landes als staatsbildendes Volk in die Präambel der mazedonischen Verfassung aufnehmen, bevor die Gespräche mit der EU über eine Mitgliedschaft auch nur beginnen können. Für ein solches Vorhaben gibt es künftig jedoch nicht einmal mehr theoretisch eine Zweidrittelmehrheit im mazedonischen Parlament.

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Erstmals eine Frau zum Staatsoberhaupt gewählt

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Dort kam die VMRO durch ihren klaren Sieg bis auf drei Sitze an die absolute Mehrheit der 120 Mandate heran. Laut vorläufigen Ergebnissen erhielt die bisherige Oppositionspartei am Mittwoch mehr als 43 Prozent der Stimmen. Der seit 2017 regierende „Sozialdemokratische Bund“ wurde hingegen wie noch nie in seiner Geschichte abgestraft und kam auf knapp 15,4 Prozent der Stimmen. Drittstärkste Kraft wurde eine Koalition namens „Europäische Front“, die von Parteien um die „Demokratische Union für Integration“ (DUI) des ehemaligen Freischärlerführers Ali Ahmeti gebildet wird.

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Diese Koalition, die in der albanischen Bevölkerungsgruppe sowie bei kleineren muslimischen Minderheiten des Landes ihre Wähler hat, erhielt knapp 14 Prozent der Stimmen. Eine weitere albanische Parteienkoalition namens „Vlen“ („Es lohnt sich“) kam auf 10,7 Prozent der Stimmen. Die als hochkorrupt geltende DUI war an fast allen mazedonischen Regierungen seit 2001 beteiligt. Mickoski lehnt es ab, mit ihr zu regieren. Da er zur inneren Befriedung des Landes aber einen Partner aus der albanischen Bevölkerungsgruppe braucht, könnte dies der Vlen-Koalition den Weg in die Regierung in Skopje ebnen.

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Auch im ebenfalls am Mittwoch abgehaltenen Stichwahl zum Präsidentenamt konnte sich die VMRO durchsetzen. Die von ihr unterstützte Kandidatin Gordana Siljanovska-Davkova, eine siebzig Jahre alte Verfassungsrechtlerin ohne politische Erfahrung, wird das erste weibliche Staatsoberhaupt in der Geschichte des seit 1991 bestehenden mazedonischen Staates sein. Sie erhielt fast 65 Prozent der Stimmen. Siljanovska-Davkova gilt als nationalistisch. Amtsinhaber Stevo Pendarovski, der formal als Unabhängiger kandidierte, aber als Kandidat der unbeliebten Sozialdemokraten wahrgenommen wurde, kam auf 29 Prozent der Stimmen. Befürchtungen, die Präsidentenwahl könnte durch eine zu geringe Beteiligung das nötige Quorum von 40 Prozent verfehlen, bestätigten sich nicht. Sowohl die Präsidenten- als auch die Parlamentswahlen verliefen ohne größere Zwischenfälle in demokratischer Atmosphäre. Die Sozialdemokraten akzeptierten ihre Niederlage umstandslos.

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Bulgarien blockiert Skopje

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Damit weht jetzt ein neuer Wind in Skopje. Mickoski ist nicht bereit, um einer ungewissen „europäischen Zukunft“ Willen neue Zugeständnisse an Nordmazedoniens Nachbarn zu machen. Er hatte schon die auf griechisches Verlangen 2018 erfolgte Umbenennung des Staates von „Mazedonien“ in „Nordmazedonien“ abgelehnt. Mickoski warnte damals, Mazedonien werde davon am Ende nichts haben, denn das Land werde auf dem Weg zur EU-Mitgliedschaft trotzdem blockiert werden. Dass sich seine damalige Prophezeiung als zutreffend erwiesen hat, stärkte ihn seither. Zugleich schwächte es die Sozialdemokraten, die ganz auf die europäische Karte gesetzt hatten. Hinzu kam, dass die Sozialdemokraten 2017 mit dem Versprechen angetreten waren, gegen Korruption vorzugehen und die Justiz zu reformieren. Sie erfüllten diese Zusage aber nicht, sondern versanken selbst in einem Strudel von Korruption und Misswirtschaft.

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Heute wird Skopje nicht mehr von Griechenland, sondern von Bulgarien blockiert. Sofia hat außer der Forderung nach einer Verfassungsänderung noch weitere Vorbedingungen für den Nachbarstaat formuliert. Mickoski ist deshalb misstrauisch. „Die These, dass Mazedonien durch eine Verfassungsänderung EU-Mitglied werden würde, ist eine Lüge“, sagte er kürzlich. In einem Gespräch mit der F.A.Z. skizzierte er 2023 eine Konstellation, unter der er sich dennoch eine Erfüllung der bulgarischen Forderung vorstellen könne. Er schlug eine „bedingte Verfassungsänderung“ vor, die umgehend beschlossen, aber erst am Tag von Nordmazedoniens EU-Beitritt in Kraft treten solle.

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„Wir haben nichts dagegen, die Bulgaren in der Präambel unserer Verfassung zu erwähnen. Aber wer garantiert uns, dass dies die letzte Forderung Bulgariens ist?“, umschrieb er als Oppositionschef das Vertrauensdefizit, das in Nordmazedonien gegenüber Bulgarien sowie gegenüber der EU insgesamt herrscht. Die von Mickoski vorgeschlagene Lösung wird in Sofia jedoch abgelehnt. Dort hat man noch zahlreiche weitere Forderungen an Nordmazedonien. So will Bulgarien erreichen, dass die Zeit der Besatzung mazedonischer Gebiete durch bulgarische Truppen im Zweiten Weltkrieg in Nordmazedonien nicht mehr als solche bezeichnet werden darf.

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