Der bayerische Landesverband der AfD darf vom Verfassungsschutz mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet werden und dies in sachlicher Weise der Öffentlichkeit zur Kenntnis zu geben. Das hat das Verwaltungsgericht München am Montag verkündet. Entsprechende Anhaltspunkte hätten sich als gewichtig genug erwiesen. Das Gericht wies damit eine Klage der Partei gegen den Freistaat Bayern ab. Der hatte im September 2022 mitgeteilt, die Partei als Ganzes und nicht wie zuvor nur die „Junge Alternative“ und den offiziell aufgelösten völkischen Flügel zu beobachten.

Die 30. Kammer des Verwaltungsgerichts München kam aufgrund einer dreitägigen mündlichen Verhandlung und Auswertung des viele tausend Seiten umfassenden Materials zu dem Ergebnis, dass „tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen“ innerhalb der AfD bestehen, und zwar „sowohl in der Tiefe als auch in der Breite“, wie der Vorsitzende Richter Michael Kumetz sagte. Äußerungen von Vertretern der AfD ließen erkennen, dass mit Blick auf Muslime sowie Menschen mit Migrationshintergrund ein „Bedrohungs- und Schreckensszenario“ aufgebaut werde. Im Zusammenhang mit der Migration werde in der AfD von einem „Bevölkerungsaustausch“ gesprochen, Geflüchtete würden als Invasoren dargestellt, sie zu integrieren sei nach Aussagen bayerischer AfD-Mitglieder wie einem Raubtier den Jagdinstinkt abzugewöhnen. Außerdem lägen Äußerungen vor, die auf einem „ethnisch-biologischen Volksverständnis“ basierten. Dieses ziele darauf ab, auch deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund als „Passdeutsche“ zu diffamieren und jedenfalls „menschenwürdeverletzend“ auszugrenzen.

Äußerungen über zulässige Kritik an der Regierung hinaus

Als verfassungsschutzrechtlich relevant bezeichnete der Richter einen Beitrag eines AfD-Landtagsabgeordneten auf der Plattform X, in dem dieser das Thema „Remigration“ per Hashtag mit dem österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner in Verbindung brachte. Dieser beabsichtige eine rechtliche Schlechterstellung von deutschen Staatsbürgern mit Migrationshintergrund, wenn diese sich nicht assimilierten.

Überdies, so das Gericht, gingen Äußerungen, die man der AfD zurechnen könne, über zulässige Kritik an der Regierung hinaus. Sie machten vielmehr die demokratischen Institutionen und damit auch die Demokratie und den Rechtsstaat insgesamt in einer Weise verächtlich, die verfassungsrechtlich relevant sei. So seien etwa in einer internen Chatgruppe Umsturzphantasien geäußert worden, an der auch Landtagsabgeordnete beteiligt waren. Auch unter Berücksichtigung des „hohen Guts der Meinungsfreiheit“ und trotz eingestellter Strafverfahren sei dies eine Angelegenheit für den Verfassungsschutz, und zwar für den bayerischen, denn die Einlassungen hätten auch „landesspezifischen“ Charakter. Die von der AfD vorgebrachten Distanzierungen von beanstandeten Äußerungen, etwa durch Parteiordnungsmaßnahmen, oder der Verweis darauf, Mitarbeiter hätten bestimmte Einlassungen zu verantworten, vermochten das Gericht nicht zu überzeugen. Sie schlössen eine Zurechnung der Aussagen zur AfD nicht aus und stellten sich „nicht nur als einzelne verbale Entgleisungen“ dar.

Der bei der Urteilsverkündung anwesende stellvertretende Landesvorsitzender Tobias Teich versicherte, man würde auf Kollegen „einwirken“, sollte man ein Fehlverhalten feststellen; das sei auch schon passiert. Gegen die Schlüsse des Gerichts verwahrte er sich, obschon er „nicht sonderlich überrascht“ sei. Dass die bayerische AfD ein „ethnisch-biologischen Volksverständnis“ habe, könne er nur „aufs Schärfste zurückweisen“, in der Partei gebe es Migrationshintergründe „von vorne bis hinten“. Die Partei wolle „ziemlich sicher“ Rechtsmittel einlegen. Das bestätigte kurz darauf der bayerische AfD-Vorsitzende Stephan Protschka. Die Beobachtung seiner Partei durch den Verfassungsschutz sei eine „Einschränkung der politischen Meinungsfreiheit“. „Dieses Urteil werden wir genau analysieren und alle rechtlichen Möglichkeiten prüfen, um gegen diese Entscheidung vorzugehen.“ Die AfD werde sich „gegen jede Form der Diskriminierung wehren“.