Gut, dass die Ampel nicht festlegen darf, wann Heiligabend gefeiert wird. Sonst würde der Termin verschoben, weil das Geld für die Geschenke fehlt. Vielleicht vom 24. auf den 27. Dezember und dann noch mal auf den 30. So geht es derzeit mit der Planung für den Haushalt des kommenden Jahres.

Am 3. Juli wollte die Regierung fertig sein. Dann schloss Regierungssprecher Hebestreit eine Verschiebung um „ein oder zwei Tage“ nicht aus. Als nächste Zielmarke wurde der NATO-Gipfel vom 9. bis 11. Juli in Washington genannt, zu dem Bundeskanzler Olaf Scholz fliegt. Vorher solle nun wirklich alles fertig sein. Als auch das nicht mehr realistisch war, kam der 17. Juli ins Spiel. Nun heißt es, dass „im Juli“ ein Entwurf kommen soll.

Noch am Mittwoch freute der Kanzler sich in seiner Regierungserklärung nicht nur darüber, dass die Gespräche mit Grünen und FDP „sehr kollegial“ abliefen. Mit leichtem Triumph (im Volksmund: ätsch!) in der Stimme beschied er den Abgeordneten, dass sie „auf Vermutungen angewiesen“ seien, weil „wir es unter uns machen“.

Fachleute sitzen im Nebenraum

In der Tat ist bisher wenig über die Inhalte der Ampelverhandlungen nach außen gedrungen. Nur so viel ist zu erfahren, dass man zumindest „sehr weit“ damit gekommen sei, die Wünsche einiger Ressorts nach Ausgabensteigerungen zurückzuschrauben. Aber wie das von Finanzminister Christian Lindner ausgemachte Milliardenloch gestopft werden soll, ist noch offen.

Fünf Männer und eine Frau sitzen zurzeit mehrfach wöchentlich im Kanzleramt beieinander und versuchen, die zum Teil sehr unterschiedlichen Interessen der drei Ampelpartner auszubalancieren. Der innerste Kreis besteht aus dem Sozialdemokraten Scholz, dem FDP-Vorsitzenden Lindner sowie dem Vizekanzler und Wirtschaftsminister von den Grünen, Robert Habeck.

Bei ihren Treffen, die dem Vernehmen nach in wechselnden Räumen des Kanzleramts stattfinden, sind in der Regel ihre engsten Mitarbeiter dabei. Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt, die Staatssekretärin Anja Hajduk aus dem Wirtschaftsressort und Steffen Saebisch aus dem Finanzministerium, ebenfalls Staatssekretär. In ihrer Nähe, manchmal im Nebenraum, sind einige wenige Fachleute, die schnell mit Details helfen können. Genannt werden etwa Staatssekretär Wolf Reuter aus Lindners Haus und der Abteilungsleiter Wirtschaft im Kanzleramt, Steffen Meyer. Auch weitere von Habecks Staatssekretären werden bisweilen hinzugezogen.

Wie die Kaninchen vor der Schlange

Schon in dem kleinen Kreis der Unterhändler geht es offenkundig langsam voran. Es lässt sich leicht vorstellen, wie viel zäher die Gespräche würden, träfe man sich in großen Runden, an denen Partei- und Fraktionsführung beteiligt wären, wie im Koalitionsausschuss.

Die Regierung will vor der parlamentarischen Sommerpause, die im Juli beginnt, einen Entwurf vorlegen, damit das für die Verabschiedung des Haushalts zuständige Gremium, der Bundestag, nach der Pause vom September an über den Entwurf beraten kann. Eine Sommerpause mit urlaubsbedingten Abwesenheiten und schwer zu steuernden Interviewäußerungen würde die Einigung nicht leichter machen, so die Sorge im Kanzleramt.

Aber die weitgehende Kontrolle werden die drei Spitzenverhandler so oder so verlieren, sobald der Haushaltsentwurf öffentlich ist. In der SPD spricht man von einem befürchteten Hofreiter-Effekt: keine Kontrolle mehr, wer was sagt und wer zum Beispiel den Kanzler kritisiert. Noch sitzen die Abgeordneten wie die Kaninchen vor der Schlange. Auch sie wissen kaum mehr über die konkreten Zahlen, bis der Haushaltsentwurf an sie verschickt wird.

Die SPD hat schon angekündigt, kurz danach eine Sondersitzung der Fraktion abhalten zu wollen, um über den Entwurf zu beraten. Dafür müssen die Abgeordneten die gerade erst angebrochene Sommerpause unterbrechen und nach Berlin kommen. Gut möglich, dass die anderen Fraktionen so verfahren werden.

Die Nacht der langen Messer

Die Abgeordneten nehmen dann den Berg an Papier mit in die sitzungsfreie Zeit. Sechs Wochen braucht man, um die gut 3000 Seiten, die so ein Entwurf schon mal haben kann, seriös durchzuarbeiten, sagen diejenigen, die das nicht zum ersten Mal machen. Die Fachpolitiker schauen auf die sie betreffenden Kapitel im Gesetz ganz genau. Sie haben sich vorher überlegt: Wo darf auf keinen Fall gespart, wo sollten im weiteren Verfahren Prioritäten gesetzt werden?

Die Arbeitsgruppen, in denen die Fachpolitiker organisiert sind, machen ihre Schlachtpläne. In ihren Wahlkreisen treffen die Abgeordneten auf Bürger, Verbandsvertreter, Vereinsvorsitzende. Sie alle sind Lobbyisten in eigener Sache. Das Kirchendach, das saniert werden müsste, die neue Sporthalle, das Integrationsprojekt für Flüchtlinge. Für all das sollen die Abgeordneten sich in Berlin einsetzen. Die 733 Frauen und Männer kommen also mit einer langen Wunschliste im Spätsommer zurück in die Hauptstadt.

In der zweiten Septemberwoche kommt der Bundestag wieder zusammen. Das wird die Haushaltswoche sein mit der ersten Lesung des Entwurfs im Parlament. Von da an finden kleinere und größere Verschiebungen statt. Bis dann vermutlich im Oktober oder November die Bereinigungssitzung ansteht, auch „Nacht der langen Messer“ genannt. Es ist die wichtigste reguläre Ausschutzsitzung des Jahres.

Sie geht schon mal von 11 Uhr vormittags bis 5 Uhr in der Früh. Hier führen die haushaltspolitischen Sprecher das Regiment und haben das letzte Wort. Alle Bundesminister müssen persönlich erscheinen und für die eigenen Ausgabenwünsche werben. Erst nach dieser langen Nacht wird der Haushalt endlich beschlossen.