US-Präsident Joe Biden hat Müdigkeit nach internationalen Reisen für seinen schwachen Auftritt bei der ersten TV-Debatte vor der Präsidentschaftswahl verantwortlich gemacht. Es sei nicht sehr klug gewesen, kurz vor dem Duell „mehrmals um die Welt zu reisen“, sagte Biden am Dienstag. „Ich habe nicht auf meine Mitarbeiter gehört (…) und dann bin ich auf der Bühne fast eingeschlafen.“ Es sei „keine Entschuldigung, aber eine Erklärung“.

Biden – mit seinen 81 Jahren der älteste Präsident der US-Geschichte – hatte bei der TV-Debatte mit seinem voraussichtlichen Herausforderer Donald Trump im Sender CNN am Donnerstagabend mit heiserer Stimme gesprochen, sich wiederholt in seinen Formulierungen verheddert und Sätze unbeendet gelassen. Zwar haben die Schwergewichte in der Demokratischen Partei Biden öffentlich ihre Unterstützung ausgesprochen, seit der TV-Debatte steigt jedoch die Nervosität der Anhänger und Spender.

Biden laut Umfrage weiter gleichauf mit Trump

Einer Umfrage zufolge ist gegenwärtig bei den Demokraten aber keine offensichtliche Alternative zu Biden erkennbar. Wie aus einer Reuters/Ipsos-Erhebung hervorging, liegt Biden in der Wählergunst weiterhin faktisch gleichauf mit Trump. Auch Vizepräsidentin Kamala Harris könnte unter Einbezug der Fehlermarge noch mit Trump gleichziehen. Andere Demokraten, die als Ersatz für Biden diskutiert werden, liegen dagegen hinter dem Republikaner. Die Ausnahme ist Michelle Obama, die Trump mit 50 Prozent zu 39 Prozent schlagen würde. Die Ehefrau des Ex-Präsidenten Barack Obama hat jedoch erklärt, dass sie nicht für eine Kandidatur zur Verfügung steht.

Dass Biden nach dem vielbeachteten Auftritt vergangene Woche in der Erhebung mit 40 Prozent gleichauf mit Trump liegt, deutet darauf hin, dass er trotz aller Kritik nicht an Zustimmung verloren hat. Die Reuters/Ipsos-Umfrage zeigt weiter, dass eine Reihe von diskutierten Alternativen schlechter abschneiden dürften: Die Gouverneure Gavin Newsom aus Kalifornien, Gretchen Whitmer aus Michigan und J.B. Pritzker aus Illinois liegen alle mehr oder weniger deutlich hinter dem Republikaner. Vom Gouverneur von Kentucky, Andy Beshear, hatten 70 Prozent der befragten Demokraten nicht einmal gehört. Die Fehlermarge der zweitägigen Umfrage betrug 3,5 Prozentpunkte.

Laut der Umfrage würden 32 Prozent der US-Demokraten einen Rückzug Bidens befürworten. Sein Wahlkampfteam hatte am Sonntag und Montag Telefonate mit Wahlspendern geführt, die sich besorgt über Biden geäußert hatten. Am Dienstag rief mit Lloyd Doggett aus Texas erstmals ein Demokrat aus dem Repräsentantenhaus Biden offen dazu auf, nicht zu kandidieren. Die ehemalige Präsidentin der Kongresskammer Nancy Pelosi nannte die Frage berechtigt, ob der 81-jährige Biden nur eine Episode durchgemacht habe oder ob seine Leistung bei der Debatte seinen Gesundheitszustand widerspiegle. Diese Frage müsse jedoch beiden Kandidaten gestellt werden, sagte die 84-Jährige dem Sender MSNBC. Trump ist 78 Jahre alt.

Biden selbst hat mehrfach erklärt, dass er nicht aufgeben wolle. Insidern zufolge sollte er am Mittwoch mit demokratischen Gouverneuren und im Laufe der Woche mit Kongressabgeordneten sprechen. Der Sender ABC hat ein Interview mit Biden angekündigt, zudem soll er in der kommenden Woche eine Pressekonferenz auf dem NATO-Gipfel abhalten. Seine Sprecher erklärten am Dienstag, Bidens Leistung bei der Debatte spiegle nicht seinen normalen Gesundheitszustand wider. „Er hatte eine Erkältung und einen schlechten Abend“, sagte Präsidialamtssprecherin Karine Jean-Pierre.