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Es gibt für alles ein erstes Mal. Auch beim Eurovision Song Contest (ESC). Erstmals war auf einer ESC-Bühne Yankunytjatjara in einem Lied zu hören, eine Sprache von Aborigines. Zudem sprechen beide Moderatorinnen fließend Französisch. Das war sonst immer der ungeliebte Part von nur einem im Moderatoren-Team. Nicht zum ersten Mal, aber nach langer Zeit wieder stand Luxemburg auf einer ESC-Bühne. Das kleine Großherzogtum war bis zur 38. Ausgabe des Song Contests fast durchgängig dabei. Um dann eine Pause von 30 Jahren einzulegen. Warum, das ist bis heute ein Rätsel.

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Denn bis 1993 war Deutschlands Nachbar, Gründungsmitglied des ESC im Jahr 1956, sehr erfolgreich: Luxemburg gewann fünfmal. Unter den Siegern war Vicky Leandros, die 1972 das schönste Chanson sang, das der ESC hervorgebracht hat: „Après toi“. Nun kehrt Luxemburg endlich zurück – in Gestalt der Sängerin Tali Golergant, bekannt nur als Tali. Sie ist 23 Jahre alt, wurde in Jerusalem geboren und sang im Halbfinale der 68. Ausgabe, die ohne Corona sogar schon die 69. wäre, ihr Lied „Fighter“. Und sie erwies sich als Kämpferin, musste dann aber bis zuletzt warten. Als zehnte wurde sie aufgerufen, zehn Plätze fürs Finale am Samstag waren auch nur zu vergeben.

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Fünf Länder schieden am Dienstagabend aus. Darunter Australien: Yankunytjatjara wird also so bald nicht wieder auf einer ESC-Bühne zu hören sein.

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Weiter sind alle Favoriten. Vor allem der Kroate Baby Lasagna, der eigentlich Marko Purišić heißt. Mit seinem Lied „Rim Tim Tagi Dim“ ist er schon nach den ersten Proben hier in Malmö auf Platz eins vorgeschossen, die Wettbüros sehen in ihm derzeit den klaren Sieger. Dabei war er zunächst von seinem selbst geschriebenen Lied nicht überzeugt. Erst als es viele Streams generierte, bewarb sich der Achtundzwanzigjährige beim nationalen Vorentscheid seines Landes.

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Sein „Rim Tim Tagi Dim“ erzählt die Geschichte von vier jungen Kroaten, die ihr Glück im Ausland suchen, um ihr bisher dörfliches Leben für ein besseres hinter sich lassen zu können. Der Titel ist der Name eines vermeintlichen Volkstanzes, der auf der Bühne höchst unterhaltsam vorgeführt wird.

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Grandiose Inszenierung der Ukraine

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Im Finale steht auch die Ukraine. Ein wahres Wunder, wie dieses geschundene Land noch die Kraft findet, sich mit so herausragenden Künstlern und Inszenierungen zu präsentieren. Das Duo Alyona Alyona & Jerry Heil besteht aus Aljona Olehiwna Sawranenko und Jana Oleksandriwna Schemajewa. Zusammen haben sie den Text von „Teresa & Maria“ geschrieben, der Titel spielt auf zwei bekannte Heilsbringerinnen an: auf Mutter Teresa und auf die Mutter von Jesus. Doch auch der Krieg in der Ukraine scheint gegenwärtig zu sein, wenn Jerry Heil singt und Alyona Alyona rappt. Glühende Feuerklumpen fallen wie Bomben vom Himmel, am Ende bleiben zahllose Frauen allein und ohne ihre Männer zurück.

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Hinter der grandiosen Inszenierung steckt Tanu Muiño. Die 34 Jahre alte Ukrainerin, die auch schon Musikvideos für Harry Styles und Dua Lipa in Szene gesetzt hat, schöpft das Potential der Bühne in der Malmö-Arena voll aus. Entworfen hat sie der in München geborene Florian Wieder.

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Er hat gut 900 Quadratmeter LED-Flächen verbaut, über dem Boden mit den Leuchtdioden schweben fünf riesige Würfel. Hinzu kommen mehr als 2000 Scheinwerfer. Insgesamt hängt am Dach der Arena gut 200 Tonnen Technik. Planung und Umsetzung haben ein halbes Jahr gedauert; die Programmierung der vor allem visuellen Effekte, für die alle Länder selbst verantwortlich sind, vier Wochen.

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Auch der Litauer Silvester Belt, bürgerlich Silvestras Beltė, hatte gute Chancen aufs Finale. Er steht im Zentrum seiner Inszenierung, „Luktelk“ ist gut gemachter Pop mit elektronischen Einflüssen. Passend zum Text, es geht darum, wie man in einer Matrixschleife im eigenen Alltag festzustecken scheint, dreht sich der Sechsundzwanzigjährige tanzend im Kreis. Dazu trägt er eine Art Nasenspange. Das mal gold-, mal silberfarbene Schmuckstück wählte er, weil er von Ringen in der Nase die Nase voll hatte.

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Großes Ei mit nacktem Mann

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Da in diesem Jahr keine Juroren im Halbfinale mit abstimmten und nur die Zuschauer das Sagen hatten, trugen einige Länder gehörig dick auf. Finnland legte ein besonderes großes Ei, aus dem Teemu Keisteri, Künstlername Windows95man, schlüpfte. Und das vermeintlich nackt. Sein Geschlechtsteil allerdings bleibt bei der Inszenierung verdeckt, durch Scheinwerfer, Rauch oder Zuschauer, bis vom Himmel herab ein Höschen kommt. Angeblich wollte der Achtundzwanzigjährige tatsächlich nackt antreten, doch das untersagte ihm die Europäische Rundfunkunion (EBU).

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ESC 2024Windows95man – No Rules!

Das Ganze ist doof, kommt aber beim Publikum an. Keisteri und an seiner Seite Sänger Henri Piispanen kamen schon beim nationalen Vorentscheid mit ihrem Lied „No Rules!“ beim Jury-Voting auf den letzten Platz. Doch das Juryergebnis zählte nur zu 25 Prozent. Mit einem überwältigenden Televoting-Sieg zogen die beiden an allen Konkurrenten vorbei. Im ESC-Finale dürfte es nicht so einfach für die Finnen werden, denn da zählen die Stimmen der Juroren zu 50 Prozent mit.

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Und noch ein Auftritt, der eher schrill bis hysterisch ist. Bambie Thug, eine nichtbinäre Person, die für Irland startet, mischt Hyperpop, Trap und Gothic Metal. Vor allem aber singt sie mal sanft, mal schreit sie laut. Dazu umtanzt sie ein Teufel, den sie mit allerlei Okkultismus zu Bändigen sucht. Auch Bambie Thug, 31 Jahre alt, bekam von den international besetzten Juroren in ihrer Heimat nur wenige Punkte, begeistert aber offensichtlich das Publikum.

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Deutscher Teilnehmer: Isaak wenig erinnerungswürdig

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Das kann man von Isaak leider nur bedingt behaupten. Der Deutsche durfte, wie auch der Brite Olly Alexander und die für Schweden antretenden Zwillingsbrüder Marcus und Martinus Gunnarsen aus Norwegen (Marcus & Martinus), im ersten Halbfinale zeigen, was in ihm und in ihnen steckt. Viel Inbrunst bei Isaak, aber im Vergleich zu den anderen im Finale schon Gesetzten wenig, was den Auftritt erinnerungswürdig machen würde.

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Olly Alexander zeigt eine atemraubende Inszenierung in einem Raum, in dem man nicht weiß, wo oben und unten ist. Oder wie es die britische Delegation beschreibt: Der Zuschauer soll in einen postapokalyptischen, dystopischen Umkleideraum einer Boxhalle entführt werden, „an Bord eines Raumschiffs, das 1985 durch ein Schwarzes Loch auf die Erde zurast“. Problematisch dabei könnte sein, dass das Ganze zu schwul daherkommt, sich zu sehr an ein bestimmtes Publikum richtet. Olly Alexander ist unter anderem als Hauptdarsteller der britischen Fernsehserie „It‘s a Sin“ bekannt, die von einer Gruppe von Freunden handelt, die in den Achtzigern von AIDS heimgesucht wird. Sein Lied „Dizzy“ erinnert auch sehr an den Welterfolg „It’s A Sin“ von den Pet Shop Boys. Das sei durchaus auch ein Vorbild für ihn beim Schreiben gewesen, sagt Olly Alexander.

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Auch das 22 Jahre alte Brüder-Duo aus Norwegen liefert zu „Unforgettable“ eine perfekte Tanznummer ab, bei der kaum jemand sitzen bleiben mag. Es ist fast eins zu eins dieselbe, die sie schon beim Vorentscheid im März zeigten. Das ist typisch für Schweden, auch Loreen feilte im vergangenen Jahr über viele Monate an ihrem Auftritt und gewann auch deswegen am Ende den ESC in Liverpool.

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Bei solcher Konkurrenz in diesem Jahr sollte sich Deutschland nicht allzu viel Hoffnungen auf eine gute Platzierung machen.

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