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Das schlichte Apartment über den zwei weißen Garagentoren zieht bis heute jedes Jahr ­Tausende Besucher an den Oak Ridge Drive in Joplin im amerikanischen Bundesstaat Missouri. Während einer legen­dären Serie von Verbrechen zwischen Texas und Minnesota hatten Bonnie Elizabeth Parker und Clyde Chestnut ­Barrow hier im Frühjahr 1933 mit einigen ihrer Komplizen fast zwei Wochen lang kampiert, Karten gespielt und getrunken.

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Als sich in einer Feiernacht versehentlich Barrows Maschinenpistole entlud, wurde es den Nachbarn des eher ruhigen Wohnviertels zu viel. Nach einer Anzeige rückte die Polizei mit zwei Mannschaftswagen an. Anstatt auf die vermuteten Alkoholschmuggler stießen die Beamten auf Bonnie und Clyde, das meistgesuchte Verbrecherpaar der Vereinigten Staaten. Wie Blanche Caldwell Barrow später schrieb, eröffnete ihr Schwager und ­Anführer der nach ihm benannten Bande, Clyde Barrow, mit seiner Browning um­gehend das Feuer. Zwei Beamte kamen ums Leben, Bonnie und Clyde flüchteten mit ihren Komplizen.

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In dem Apartment über der Garage fanden die Ermittler später unzählige Waffen, einen Fotoapparat mit mehreren, nicht entwickelten Filmrollen und „The Story of Suicide Sal“. Die damals 23 Jahre alte Parker beschrieb in dem Gedicht ihre Wandlung von einem naiven „country girl“ zur Verbrecherin – ausgelöst angeblich durch die Great Depression, verschärft durch die Liebe zu einem „Killer“ sowie „Uncle Sam“, die Regierung in Washington, die die Amerikaner während der Wirtschaftskrise im Stich gelassen habe.

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Dutzende Schussverletzungen

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Die Film­rollen, die in der Redaktion des „Joplin ­Globe“ entwickelt und in amerikanischen Zeitungen veröffentlicht wurden, zeigten Bonnie selbstbewusst: mit Zigarre im Mundwinkel und Gewehr im Anschlag, auf dem Arm ihres Liebhabers Barrow, in modischen Outfits aus Rock, Bluse und Baskenmütze. Spätestens der Fund am Oak Ridge Drive machte das Paar zu Stars.

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Faye Dunaway und Warren Beatty schlüpften in ihre Rollen: Regisseur Arthur Penn ließ das Verbrecherpaar für „Bonnie and Clyde“ 1967 wiederaufleben.
Faye Dunaway and Warren Beatty slipped into their roles: director Arthur Penn revived the criminal couple in 1967's Bonnie and Clyde.image union / United Archive

Nach fast zwei Jahren mit mindestens 13 Morden, mehr als einem Dutzend Banküberfällen, Einbrüchen und Autodiebstählen endete die oft verklärte ­Romanze am 23. Mai 1934 blutig. Die sechs Polizeibeamten, die Parker und Barrow monatelang verfolgt hatten, vermuteten sie damals in Bienville Parish im Südstaat Louisiana auf dem Weg zu ihrem Komplizen Henry Methvin. Die Beamten parkten einen Lastwagen der Familie Methvin an einer Landstraße bei Gibsland und versteckten sich.

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Als Bonnie und ­Clyde ihren gestohlenen Ford V8 abbremsten, um das vermeintlich defekte Auto ihres Komplizen anzusehen, eröffnete die Polizei das Feuer. Ob die Beamten die viel­zitierten 130 oder fast 200 Schuss ab­gaben, ist bis heute offen. Wie die Rechtsmedizin festhielt, wies Parkers Leichnam 26 Schussverletzungen auf. Barrows Körper wurde von mindestens 17 Kugeln getroffen. Der Bestatter beschwerte sich über die ungewöhnlich vielen Wunden, die das Einbalsamieren erschwerten.

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Mehr als 10.000 Trauernde reisten nach Texas

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Die Faszination vieler Amerikaner ließ auch nach dem Tod der Outlaws nicht nach. Im Gegenteil. Die Bilder ihrer Leichen trieben die Auflagen der Zeitungen in die Höhe, zwielichtige Händler boten Souvenirs des berüchtigten Verbrecherpaars an. Wie man erzählte, hatten sich nach den Schüssen auf Bonnie und Clyde Hunderte Schaulustige an der Landstraße über Leichen und Auto hergemacht. Zur Beisetzung des Paars, das auf Wunsch der Familien einige Meilen voneinander entfernt auf unterschiedlichen Friedhöfen ­beerdigt wurde, reisten mehr als 10.000 Trauernde und Sensationshungrige nach Dallas in Texas.

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Dass Barrow und Parker weiterhin glorifiziert werden, verdanken sie auch der amerikanischen Filmindustrie. Der Regisseur Arthur Penn hatte das Verbrecherpaar für die Produktion „Bonnie and Clyde“ 1967 wiederaufleben lassen. Den Part des nach einer freiwilligen Zehenamputation im Gefängnis hinkenden und eher unscheinbaren Clyde Barrow übernahm Warren Beatty, einer der attraktivsten Schauspieler der Filmbranche. Faye Dunaway, ebenfalls eine Hollywood-Schönheit, spielte seine Freundin und Komplizin Bonnie Parker. Der Film spielte an der Kinokasse mehr als 70 Millionen Dollar ein.

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Bonnie hätte der Erfolg ohne Zweifel geschmeichelt. Einige Wochen vor den tödlichen Schüssen an der Landstraße bei Gibsland hatte die ehemalige Kellnerin ihrer Mutter das Gedicht „The Trail’s End“ überlassen, in dem sie das Leben ihres Liebhabers Clyde und das eigene mit dem des legendären Banditen Jesse James verglich. „Es sind viele Unwahrheiten über uns verbreitet worden“, verteidigte sich Parker in Reimform. „Aber wir sind nicht so rücksichtslos wie dargestellt.“