In Deutschland werden immer weniger Ehen geschieden. Laut Zahlen des Statistischen Bundesamts vom Donnerstag erreichte die Zahl der Scheidungen im Jahr 2023 ihren niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung. Demnach wurden im vergangenen Jahr 129.000 Ehen durch richterlichen Beschluss beendet, 8300 weniger als im Vorjahr. Im Schnitt waren die geschiedenen Ehepaare 14 Jahre und neun Monate verheiratet.

Die Statistiker beobachten dabei einen langjährigen Trend. Mit Ausnahme weniger Jahre werden Scheidungen immer seltener. Seit dem Jahr 2003 ist ihre Zahl um fast 40 Prozent ­zurück­gegangen. Das heißt jedoch nicht unbedingt, dass die Ehen in Deutschland immer harmonischer werden. Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, ist auch die Zahl der Eheschließungen langfristig rückläufig; sie erreichte 2023 ihren zweitniedrigsten Stand seit 1950.

Ein Rückgang der Scheidungsziffern lasse sich auch in anderen europäischen Ländern beobachten, erklärt Michaela Kreyenfeld, Familiensoziologin an der Hertie School in Berlin. „Heutzutage überlegt man es sich eben sehr gut, ob und wann man heiratet.“ Es handle sich um Länder, in denen erst im späteren Verlauf des Lebens geheiratet wird. „Nicht mehr mit Anfang 20“, so Kreyenfeld. Dementsprechend seien auch die Ehen stabiler.

Ältere Paare lassen sich häufiger scheiden

Gerade bei Paaren, die noch nicht so lange verheiratet sind, beobachtet die Soziologin einen Rückgang der Scheidungsziffern. Anstiege gebe es hingegen bei den Paaren, die 25 Jahre oder länger verheiratet sind. Laut Statistischem Bundesamt gingen im vergangenen Jahr 17 Prozent der geschiedenen Ehen erst nach der Silberhochzeit auseinander. Dieses Phänomen werde in der amerikanischen Forschung als „Grey Divorce“ bezeichnet, erklärt Kreyenfeld. In dieser Altersgruppe habe es in den letzten Jahren viele Veränderungen gegeben. Ein Grund sei, dass diese Gruppe später Kinder bekommen habe. „Dann verschiebt sich auch automatisch die Scheidung“, sagt sie. Außerdem sei das Ende einer Ehe heutzutage weniger stigmatisiert. „Wer früher 25 Jahre verheiratet war, hat sich nicht scheiden lassen“, sagt Kreyenfeld. Heute könne man das schon eher machen.

Auch was die Zahl der Scheidungskinder betrifft, machte das Statistische Bundesamt Angaben. Etwa 109.600 Minderjährige waren demnach im vergangenen Jahr von der Scheidung ihrer Eltern betroffen. Eine Scheidung müsse jedoch nicht unbedingt schlecht für das Kind sein, erklärt Kreyenfeld. Diese Ansicht sei veraltet. „Mittlerweile ist man doch ein bisschen weiter.“ Es komme vielmehr darauf an, ob die Eltern in der Lage sind, Konflikte auszutragen, ohne dass das Kind „zwischen die Fronten gerät“. Viele Kinder würden die Scheidung ihrer Eltern gut bewältigen. „Meistens ist es nur ein kleiner Teil, der darunter leidet, weil die Eltern nicht in der Lage waren, sich zu verständigen.“

Mehr Scheidungen gab es laut Statistischem Bundesamt bei den gleichgeschlechtlichen Ehen. Dort wurden im vergangenen Jahr rund 1300 Trennungen verzeichnet, 15 Prozent mehr als im Jahr 2022. Internationale Befunde würden zeigen, dass gleichgeschlechtliche Ehen etwas häufiger instabil sind, erklärt Kreyenfeld. Ob dies auch auf die Situation in Deutschland zutreffe, lasse sich anhand der vorliegenden Daten allerdings nicht sagen. Einen Grund für den internationalen Trend sieht die Soziologin darin, dass gleichgeschlechtliche Paare oftmals keine Kinder haben.