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Nun aber gibt es in der niedersächsischen Landeshauptstadt einen heiklen Vorgang im engsten Umfeld von Weil. An diesem Mittwoch wird der Landtag einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur sogenannten „Büroleiter-Affäre“ einsetzen. Es geht um eine junge SPD-Politikerin, die seit Februar 2023 das persönliche Büro Weils in der Staatskanzlei leitet.

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Bereits wenige Monate nach ihrem Arbeitsbeginn in Hannover erhielt die Mitarbeiterin, die zunächst in die Entgeltgruppe 15 eingruppiert wurde, eine außertarifliche Vergütung entsprechend der Besoldungsstufe B 2. Der Ministerpräsident und sein Staatskanzleichef Jörg Mielke haben diesen Sprung von einem monatlichen Grundgehalt von 6301 Euro auf 8187 Euro gegen zahlreiche Einwände und Warnungen von Fachbeamten durchgesetzt.

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Eine ziemlich unwirsche Antwort

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Richtig Fahrt nahm der Vorgang im vergangenen Sommer auf. Der Ministerpräsident spricht damals offenbar die Staatssekretärin Sabine Tegtmeyer-Dette aus dem Grünen-geführten Finanzministerium an und macht Druck. Das dortige Fachreferat vertritt jedoch klar die Auffassung, dass es für die gewünschte Beförderung der damals 32 Jahre alten Büroleiterin keine rechtliche Grundlage gibt. Auch in der Staatskanzlei regt sich Widerspruch.

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Dies macht ein vertraulicher Mailwechsel aus dem Haus deutlich: Die Leiterin des Personalreferats schickt am 12. Juli eine Mail an Staatskanzleichef Mielke, in der sie ihre ablehnende Rechtsauffassung darlegt. Sie sei „in der grundsätzlichen Bewertung nicht einer Meinung“ mit Mielke, schreibt die Beamtin, wolle sein geplantes Vorgehen „fachlich auch nicht mittragen“. Weils langjähriger Vertrauter wird daraufhin unwirsch. „Um eine fachliche Unterstützung durch Sie hatte ich bewusst nicht gebeten“, antwortet Mielke am folgenden Tag. „Diesen Vorgang verantworte ich, nicht Sie.“

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Im November tritt die Angelegenheit in die entscheidende Phase. Der zuständige Abteilungsleiter der Staatskanzlei berichtet der Leiterin des Personalreferats am 8. November, er habe „heute ein anspruchsvolles Gespräch mit dem Herrn CdS“ gehabt, gemeint ist Mielke. Die Sache mit der Büroleiterin „liegt weiterhin ‚ganz oben‘“. Der Staatskanzleichef fordert mittlerweile nicht nur eine Neuregelung „für außertarifliche Vergütungen in den obersten Landesbehörden“, welche die Beförderung von Weils Büroleiterin ermöglicht.

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Sogar rückwirkend soll mehr Gehalt gezahlt werden

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Mielke verlangt jetzt, dass Weils Büroleiterin das B 2-Gehalt sogar rückwirkend zum Ablauf ihrer Probezeit am 1. August 2023 erhält. Die Beamtin hält auch das für unzulässig. Aus ihrer Sicht komme „eine rückwirkende Vergütung nach B 2 at [Abkürzung für außertariflich, Anm. d. Red.] will not be considered as of August 1st, 2023,” the head of department wrote to her department head on November 14th. The official is obviously aware of the explosive nature of the case and adds in a warning: “I thought it was quite likely that we would receive inquiries after the cabinet had dealt with C.'s personality. . .”

Wenige Stunden später warnt ihr Abteilungsleiter den Staatskanzleichef vor „erheblichen arbeitsrechtlichen Bedenken für das Land Niedersachsen“. Diese seien auch Gegenstand eines Gesprächstermins zwischen dem SPD-Duo Weil und Mielke und dem Grünen-Duo aus Finanzminister Gerald Heere und seiner Staatssekretärin Tegtmeier-Dette gewesen. Auch im Finanzministerium herrscht zu diesem Zeitpunkt Unmut. Das Thema sei „leider noch nicht abgeschlossen“, schreibt Tegtmeier-Dette am 13. November an ihre Fachbeamten. „Ich habe zwar bisher noch keine Rückmeldung aus der StK [Abkürzung für Staatskanzlei, Anm. d. Red.]but there are questions from the political environment.”

Dann geht es schnell: Am 16. November wird dem zuständigen Abteilungsleiter in der Staatskanzlei mitgeteilt, dass Mielke die Beförderung bereits in der nächsten Kabinettssitzung beschließen lassen will. Am Abend des 20. November erteilt Finanzminister Heere seine Zustimmung, dass sein Ministerium auf den bisher üblichen Genehmigungsvorbehalt bei außertariflicher Bezahlung verzichtet. Am nächsten Morgen beschließt Weils Kabinett die Gehaltserhöhung für die Büroleiterin.

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Eine Frage der Gerechtigkeit?

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Die Öffentlichkeit erfährt über all dies zunächst nichts. Die Landesregierung informiert auch nicht über die neuen Gehaltsmöglichkeiten für ranghohe Landesbedienstete. Das niedersächsische Politikjournal „Rundblick“ bekommt jedoch Wind von der Beförderung und berichtet Anfang Dezember darüber. Die Staatskanzlei gerät unter Rechtfertigungsdruck.

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Ministerpräsident Stephan Weil entscheidet sich für die Verteidigungslinie, nach der es ihm nur am Rande um seine eigene Büroleiterin gegangen sei. Eigentlich gehe es ihm um Gerechtigkeit – Gerechtigkeit für hoch qualifizierte Quereinsteiger, auf die der Staat dringend angewiesen ist, die im öffentlichen Dienst aufgrund antiquierter Laufbahnregelungen jedoch nicht angemessen bezahlt werden. Der SPD-Politiker hält lange an dieser Erzählung fest.

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Der interne Mailverkehr nährt jedoch Zweifel an dieser Darstellung. Weils Staatskanzleichef Mielke schreibt in einer Mail vom 14. November zum Beispiel, dass „meine Gespräche und mein Schriftverkehr“ ihren „Ausgangspunkt bei der konkreten StK-Personalie“ gehabt hätten. Die generellen Überlegungen zu den Staatsgehältern scheinen also eher die Folge von Weils Einzelfallwunsch gewesen zu sein, seine eigene Büroleiterin auf B 2 zu hieven.

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Ein begehrtes Sprungbrett

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Dass es sich bei ihrer Tätigkeit um einen anspruchsvollen Job handelt, wird in Hannover von kaum jemandem angezweifelt. Die Themen, die den Regierungschef beschäftigen, landen häufig auch auf dem Tisch seiner Büroleiterin, und sie muss ihm ständig zuarbeiten. Falls erforderlich auch abends und an Wochenenden. Weils Büroleiterin wäre aber auch nicht die Erste, die aufgrund fehlender biographischer Voraussetzungen nicht das für ihre Stelle eigentlich vorgesehene B 2-Gehalt erhält, sondern lediglich EG 15. Die Büroleiter-Posten sind dennoch begehrt, weil sie als Sprungbrett für höhere Aufgaben gelten.

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Weils Büroleiterin zählt auch nicht zu den Ingenieuren und IT-Experten, nach denen der Staat händeringend sucht, bei denen die Neuregelung aber kaum greift, weil die entsprechenden Stellen meistens weder in obersten Landesbehörden angesiedelt sind noch außertariflich vergütet werden. Die Büroleiterin von Weil ist gelernte Steuerfachangestellte und hat 2022 einen Master-Abschluss im Steuerrecht an der privaten „Hochschule für Oekonomie und Management“ gemacht.

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Parallel arbeitete sie als persönliche Referentin des Hamburger Finanzsenators Andreas Dressel (SPD) und war Bürgermeisterin der kleinen niedersächsischen Ortschaft Buchholz an der Aller. Der Aufstieg der jungen Sozialdemokratin entsprach damit einem ganz anderen Muster, nämlich den Karrieren vieler Nachwuchspolitiker, die schon früh über die Parteischiene in den Staatsdienst einrücken und dort oft auch schnell Vergütungsstufen erreichen, die selbst hochqualifizierte Beamte nicht einmal am Ende ihrer Laufbahn erreichen. B 2 liegt laut Besoldungstabelle über der Vergütung des Schuldirektors eines Gymnasiums in der höchsten Erfahrungsstufe.

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Dabei sollte allerdings berücksichtigt werden, dass Weils Büroleiterin nicht verbeamtet ist. Bei den Parteibuch-Karrieren folgt die Verbeamtung jedoch nicht selten zu einem späteren Zeitpunkt. Nachfolgende Landesregierungen anderer Couleur stehen dann vor der Herausforderung, für solches Personal geeignete Posten zu finden – oder gar zu erfinden –, auf denen es weiter hoch bezahlt wird, aber der neuen Politik nicht im Wege steht. Solche Vorgänge untergraben, zumal sie immer gehäuft auftreten, die Moral der Beamtenschaft.

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Warum befasst sich ein Ministerpräsident mit dem Gehalt seiner Büroleiterin?

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Der Fall aus Hannover hat noch eine weitere, wenn auch bisher spekulative Dimension. Die Lektüre des internen Mailverkehrs führt unweigerlich zu der Frage: Warum befasst sich ein Ministerpräsident über Monate mit dem Gehalt seiner Büroleiterin? Warum übergeht sein Staatskanzleichef selbst die Warnungen der SPD-nahen Beamten im eigenen Haus? Woher diese Vehemenz? Die Opposition dürfte im Untersuchungsausschuss zwei Fährten nachgehen.

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Die erste: Weils Büroleiterin führt den SPD-Unterbezirk im Heidekreis und dort liegt auch der Wahlkreis des SPD-Bundesvorsitzenden Lars Klingbeil. Die zweite: Vor ihrer Referententätigkeit für den Hamburger Finanzsenator Andreas Dressel arbeitete die junge SPD-Politikerin Vollzeit für den dortigen Cum-Ex-Untersuchungsschuss. Er hat sich auch mit der möglichen Verstrickung des früheren Ersten Bürgermeisters und heutigen Bundeskanzlers Olaf Scholz in die illegalen Steuertricks befasst. Bisher sind aber keinerlei Indizien bekannt, dass der Wechsel zu Stephan Weil nach Hannover damit zu tun hat.

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Vorwurf: Genossenfilz

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Im Untersuchungsausschuss steht daher zunächst die Frage im Vordergrund, ob sich die rot-grüne Landesregierung bei der Einstufung und rückwirkenden Bezahlung nach B 2 rechtmäßig verhalten hat. In dem internen Mailverkehr warnte eine Fachbeamtin vor möglicher Untreue. Die Staatsanwaltschaft ermittelt allerdings bisher nicht. Das unterscheidet den Fall von der „Rathausaffäre“ um den 2019 zurückgetretenen Oberbürgermeister Stefan Schostok, der seinem Büroleiter eine überhöhte Vergütung zugeschanzt hatte.

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Der Fall führte zum Machtverlust der SPD in der Landeshauptstadt Hannover. Nur allzu gerne würde die CDU den Vorwurf des Genossenfilzes nun auch der Landesregierung anheften. Die Opposition zielt dabei weniger auf die Person von Ministerpräsident Stephan Weil, der bei der nächsten Wahl nicht noch einmal antreten wird, sondern auf die niedersächsische Sozialdemokratie insgesamt.

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Die SPD droht, im Gegenzug auch die Parteibuch-Beförderungen in CDU-geführten Ministerien während der rot-schwarzen Koalition von 2017 bis 2021 zu thematisieren. Dann werde man sich aber auch die Personalpraxis des derzeit beliebtesten SPD-Politikers Boris Pistorius in seiner langen Amtszeit als niedersächsischer Innenminister genauer ansehen, erwidert die Union. Der Umgangston in Hannover wird also rauer. Der Fall schürt zudem Misstrauen im rot-grünen Kabinetts, denn irgendwer muss den Vorgang im November nach außen getragen haben.

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In der Staatskanzlei reifte mittlerweile die Erkenntnis, dass man in der Affäre ungünstiges Bild abgibt und bei der Durchsetzung des höheren Gehalts über das Ziel hinausschoss. Ministerpräsident Stephan Weil gestand in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ ein, man würde die Sache „beim nächsten Mal sicher anders lösen.“ Offen ist, was passiert, falls der Untersuchungsausschuss Belastendes ans Licht bringt. Denn in der Büroleiter-Affäre befindet sich zwischen Stephan Weil und dem Problem allenfalls Staatskanzleichef Mielke.