97889 64456 72312 47532 85224 72311 99738 05314 18822 88877 83701 91188 72106 98803 83485 70762 67561 00923 55229 06479 57972 59061 74949 93171 14807 03728 86417 14924 55271 76483 09709 80826 48003 69756 41326 33857 90179 16007 50123 74390 32549 30315 44217 63317 75601 80709 41762 62320 18455 61834 28274 17965 11564 40730 97515 38882 00045 18375 34435 87730 65633 86354 42635 03181 37624 00288 29224 98754 64198 42645 13159 80277 57942 84214 09885 11406 37363 27238 16160 82824 82750 03902 45252 98749 86602 85405 74120 11069 70749 63642 54482 33973 81058 25338 11638 53184 38067 75862 58160 05931 81160 94118 63131 11678 37627 13358 15577 41533 20376 02073 54475 97260 40548 91470 84971 47067 00960 20371 54295 32383 70544 08125 72446 96640 07075 16165 30869 08344 20223 85830 11652 84248 58240 18720 83640 74865 63798 26432 11368 91553 98930 40390 63732 07578 52004 83379 91665 87295 27594 70342 33614 00445 56766 74846 32119 67664 51801 34739 44392 32414 80290 43295 50949 32938 59188 82226 64963 12065 07486 96473 17151 41690 05059 80565 72757 89563 68610 87113 78719 74762 26213 13426 23716 54025 70952 73308 30338 98371 80443 39662 15506 33308 53719 47268 57523 71539 98084 43052 68615 92226 35372 86296 82533 08533 12606 77475 19780 50069 42332 94775 84463 97795 86712 89454 36026 27730 87899 25252 69813 38682 Why should we still take German spelling seriously? - BABY-ACE

[–>

Vor Kurzem hat der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretsch­mann zum wiederholten Mal die Bedeutung von Rechtschreibkenntnissen angesichts der Schreibprogramme auf allen digitalen Geräten infrage gestellt. Den Lehrern hat der ehemalige Lehrer damit einen Bärendienst erwiesen. Denn es ist schon schwer genug, nach Jahren der bildungspolitischen Vernachlässigung überhaupt wieder korrekte Schreibung zu lehren, sie zu prüfen und Schüler von der Notwendigkeit zu überzeugen, sie zu erlernen.

[–>

Die Feststellung vieler Älterer, dass sich die Rechtschreibleistungen der Schüler und Schulabgänger in den vergangenen Jahren immer weiter verschlechtert haben, ist kein kulturpessimistisches Gerede, sondern trifft zu. Das lag auch an wechselnden Moden des Schreib- und Leseunterrichts in der Grundschule. Der Wettstreit um Ganzwortmethode oder einzelnes Buchstaben- und Laute-Lernen begann schon Ende der Sechzigerjahre. In den Siebzigerjahren wurde korrekte Schreibung schon weniger wichtig genommen.

[–>

Sichere Schreiber wurden verunsichert

[–>

Später beherrschten die Reichen-Methode (Schreiben nach Gehör) und die Betonung auf kreativem Schreiben vielerorts den Deutschunterricht. Doch was nutzt kreatives Schreiben in der Primarstufe, wenn auch noch so wohlmeinende Lehrer und Mitglieder der Sprachgemeinschaft die Texte nicht verstehen, weil die Laut-Buchstaben-Zuordnung nicht stimmt und jedes Wort zu einem Rätsel wird?

[–>[–>

Die Bildungspolitiker haben viel dafür getan, die Bedeutung der Rechtschreibung zu relativieren. Durch die Rechtschreibreform als autoritäre Setzung und nicht als Nachvollzug sprachlicher Entwicklungen ist die Einheitlichkeit der Schreibung massiv geschwächt worden. Sichere Schreiber wurden verunsichert. Vor allem bei der Interpunktion hatte fortan jeder den Eindruck, er könne Kommata nach Gefühl setzen. Es gibt aber Regeln – bis heute.

[–>

Kommt Diktat von Diktatur?

[–>

Die Diktate verschwanden aus den Klassenzimmern, auch wenn sie am besten zeigen, ob Schüler gehörte Laute auch in Schrift übersetzen können. Als der sozialdemokratische Schulsenator in Hamburg sie in einer verzweifelten schulpolitischen Lage wieder einführte, hieß es, Diktat komme von Diktatur.

[–>

Es ist genau dieser Verdacht des Gängelns und der Kontrolle, der die Rechtschreibdebatten von Beginn an beherrscht hat. „Die Rechtschreibung ist eine förmliche geistige Folter für die Jugend … das ist noch die alte deutsche autoritäre Erziehung in Reinkultur“, hieß es 1929 in einer Zeitschrift des Bildungsverbandes der deutschen Buchdrucker, die ganz den Geist der Reformpädagogik atmete. Erst 1901 war die erste einheitliche Rechtschreibung für die deutschsprachigen Länder bei einer orthographischen Konferenz in Berlin vereinbart worden.

[–>[–>

Eine normierte Rechtschreibung des Deutschen hat sich nicht dadurch erledigt, dass die digitalen Helfer Schreibprogramme bereithalten und kaum noch handschriftlich kommuniziert wird. Sie ist auch nicht deshalb überflüssig, weil Kinder schon in jungen Jahren in Chats und auf Whatsapp Texte in Kurzsprache mit vielen Emojis schreiben.

[–>

Die gesamte Primarschulzeit ist ein Prozess des Erwerbs der Schriftsprache. Ohne normierte Regeln und eine solide Grammatik ist daran nicht zu denken. Das gilt erst recht angesichts der vielen eingewanderten Schüler, die noch nicht über ein sicheres sprachliches Fundament verfügen.

[–>

Neue Handreichungen

[–>

Nicht nur um ihretwillen müssen Lehrer sichere Grammatik-, Morphologie- und Rechtschreibkenntnisse haben. Daran hapert es zunehmend. Neue Handreichungen für einen schriftsprachlichen Anfangsunterricht holen nach, was Lehrer eigentlich nicht erst in ihrem Studium gelernt haben sollten. Gezielte Fortbildungen können helfen, bauen aber auf dem Fundament einer sicheren Sprachbeherrschung bei den Lehrern auf, die nicht in jedem Fall vorhanden ist. Dabei spiegelt sich die Klarheit des Denkens auch und gerade in einer Strukturiertheit der Sprache.

[–>[–>

Teilhabe, das neudeutsche Bildungsziel, ist nur dann möglich, wenn Sprache zur Verständigung dient. Die Sprachgemeinschaft braucht die Normierung. Deshalb ist die Abschaffung der Fehlerquotienten keine gute Entwicklung, weil sie das einfache Berechnungsmodell eines Fehlers auf eine bestimmte Anzahl von Wörtern durch das Ausfüllen von Analysebogen und viel Bürokratie ersetzt.

[–>[–>

In manchen Bundesländern ist es nicht einmal möglich, die Note wegen vieler grammatischer und orthographischer Fehler herabzusetzen. Welcher Schüler sollte dann Rechtschreibung ernst nehmen? Und welchen Eindruck vermitteln eigentlich die Muttersprachler den Ausländern, die sich mühsam um korrektes Deutsch bemühen? Es ist eben kein Zufall, dass das Interesse am Deutschlernen und auch am Germanistikstudium abnimmt, wenn Deutsch von der eigenen Sprachgemeinschaft so wenig Wertschätzung erfährt.